Jim Paterson

Interview mit dem Projektleiter der Global Mercy™

Auf der Werft des neuen Spitalschiffes: Treffen mit Jim Paterson

Jim Paterson begann seine Reise mit Mercy Ships 1987, als er sich als Chefingenieur der ehrenamtlichen Besatzung der Anastasis – dem allerersten Spitalschiff der Organisation – anschloss. 1995 kehrte er an Land zurück und liess sich mit seiner Familie in den Vereinigten Staaten nieder. Er wurde beauftragt, die Abteilung für maritime Operationen von Mercy Ships aufzubauen, die er fast 20 Jahre lang leitete, bevor er sich hauptberuflich als Projektleiter für die Global Mercy™ engagierte.

Jim, Mercy Ships wird bald offiziell ihr neues Flaggschiff, die Global Mercy™, in Besitz nehmen. Wann hat dieses Projekt begonnen?

Vor etwa 14 Jahren! Im Juni 2007 nahm unser heutiges Schiff, die Africa Mercy, ihren Dienst auf und hatte ihren ersten Einsatz in Liberia. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Ideen und Pläne für ein weiteres Spitalschiff. Die Africa Mercy war ursprünglich eine dänische Zug- und Autofähre gewesen, bevor wir sie in ein Spitalschiff umbauten. Bei der Ausarbeitung der Pläne für die Global Mercy™ konnten wir die Probleme berücksichtigen, die bei der sehr aufwändigen Umgestaltung der Africa Mercy aufgetreten sind. Wir führten dann eine einjährige Umfrage unter unserer ehrenamtlichen Crew durch, um ihre Meinung einzuholen. Sie bestätigten unsere Beobachtungen: es bestand Bedarf an mehr Platz im Spital, insbesondere für die Ausbildung des medizinischen Personals vor Ort, mehr Lagerraum, mehr Wohnraum für die Besatzung und für Einzelpersonen etwas grössere Kabinen mit weniger Betten. Kurz gesagt, es wurde klar, dass wir unbedingt ein viel grösseres Schiff brauchten… und zwar ein massgeschneidertes!

Was kannst Du uns über das Bordspital sagen?

Das Spital wird über zwei Decks verfügen und eine Fläche von 7’000 Quadratmeter einnehmen. Das ist fast viermal so gross wie auf der Africa Mercy! Es wird über die komplette Infrastruktur eines Spitals an Land verfügen, darunter sechs Operationssäle, einen CT- Scanner, ein Labor, eine Apotheke und vieles mehr. Die Global Mercy™ wird auch mit hochmodernen Schulungsräumen ausgestattet sein, darunter zwei Simulationslabors mit virtueller und erweiterter Realität, med. Trainingspuppen, ein spezieller Schulungsraum für die postoperative Nachsorge. All dies wird unseren Ausbildern ermöglichen, die örtlichen Bedingungen zu simulieren, um bewährte Praktiken in Umgebungen zu vermitteln, in denen die Mittel und Ressourcen begrenzt sind.

Wie sieht es mit gemeinsamen Bereichen aus?

Das Schiff wird mit einem Auditorium mit 682 Plätzen ausgestattet, mit einer Schule für die Kinder der Familien an Bord, einer Kantine mit 527 Plätzen, einem Café, einem Geschäft, einer Bibliothek und nicht zu vergessen dem Aussenschwimmbad. Eine echte Kleinstadt für eine durchschnittliche Besatzung von 600 Freiwilligen!

Wie unterscheidet sich die Global Mercy™ von früheren Mercy Ships oder der Africa Mercy?

Der Hauptunterschied wird die Grösse sein. Die Global Mercy™ ist so konzipiert, dass sie an Land einen geringeren Platzbedarf als alle unsere bisherigen Schiffe hat und mehr Aktivitäten an Bord durchgeführt werden können – so müssen beispielsweise prä- und postoperative Untersuchungen und Pflege nicht mehr in grossen Zelten auf dem Dock durchgeführt werden. Theoretisch bedeutet dies auch eine raschere Inbetriebnahme und Stauung bei der Fahrt von Hafen zu Hafen.

Welche technischen Innovationen wurden eingesetzt?

Wir haben versucht, so viele technische Mittel wie möglich zu integrieren, um Energie zu sparen, zum Beispiel LED-Leuchten. Die meisten Motoren, wie z.B. Ventilatoren oder Pumpen, sind mit Frequenzumrichtern ausgestattet, die auf die richtige Drehzahl eingestellt sind, um die benötigte Energiemenge zu reduzieren. Das Schiff ist für den Betrieb bei relativ niedrigen Geschwindigkeiten ausgelegt. Dies reduziert den Treibstoffverbrauch auf See erheblich. Darüber hinaus hat die schwedische Firma Selektope ein Anti-Fouling-Additiv für die Farbe gespendet. Dadurch wird verhindert, dass sich während längerer Aufenthalte im Hafen Material am Rumpf ansammelt und das Schiff effizienter – und damit wirtschaftlicher – angetrieben werden kann. Wir haben auch ein hoch entwickeltes Abfallbewirtschaftungssystem sowohl für feste als auch für flüssige Abfälle.

Welche anderen Spezialsysteme mussten auf dem neuen Schiff installiert werden, um es in ein Spital zu verwandeln?

Das Beatmungssystem des Spitals ist ziemlich ausgeklügelt. Spezielle Filter sowie Über- und Unterdruckgradienten, je nach Standort, wurden installiert, um den Luftein- und -auslass zu kontrollieren und so die potenzielle Ausbreitung von Luftverschmutzung zu reduzieren. Das Computernetzwerk ist auf dem ganzen Schiff, insbesondere im Spital, sehr gut ausgebaut, um die Kommunikation mit den verschiedenen Geräten zu erleichtern und, falls erforderlich, die Übermittlung von Informationen über Satellit für eine rasche Diagnose zu ermöglichen.

Was wird nach der Ablieferung der Global Mercy™ von der Werft in Bezug auf die Ausstattung noch zu tun sein?

Die grössten medizinischen Geräte wie CT-Scans, Röntgengeräte, Sterilisatoren oder Desinfektionsgeräte werden zurzeit installiert. Alles, was verschraubt, an Strom- oder Wasserleitungen angeschlossen oder verdrahtet werden muss, wird daher bei der Übergabe des Schiffes fertiggestellt sein. Aber der Rest der Elemente – und davon gibt es viele! – wird danach installiert, einschliesslich Computer-Hardware und Spitalausstattung, wie z.B. das Labor. Darüber hinaus wird die gesamte Ausrüstung (Küche, Geschirr, Bettzeug…) geladen, kurzum alles, was notwendig ist, um das Schiff zu Beginn seiner ersten Mission voll einsatzfähig zu machen.

Werden die endgültigen Kosten für das Spitalschiff den anfänglichen 178 Millionen Dollar entsprechen?

Das Gesamtbudget der Global Mercy™, d.h. von der Konzeption der Pläne bis zur Ankunft des ersten afrikanischen Patienten an Bord, beläuft sich auf etwa 200 Millionen Dollar. Dieser Betrag umfasst die gesamte Ausrüstung und das Material für das Spital, aber auch die IT- Infrastruktur, die recht umfangreich ist, sowie die erste Schifffahrt nach Afrika. Die gute Nachricht ist, dass Mercy Ships bereits den grössten Teil dieses Betrags in Form von Spenden, Zusagen und Sachspenden aufgebracht hat!

Was sind die nächsten Schritte der Werft, um das Spitalschiff voll funktionsfähig zu machen?

Das Schiff schwimmt bereits und die ersten Testfahrten haben stattgefunden. Die abschliessenden Tests sind im Gange, insbesondere für Inbetriebnahme des HLK-Systems (Heizung, Lüftung und Klimaanlage), was ein recht langwieriger Prozess ist, sowie die Überprüfung aller Sicherheits-, Brandmelde- und sonstigen Systeme. Wir gehen auch die letzten Kontrollpunkte einen nach dem anderen durch, um eine positive Stellungnahme der Sicherheitskommission zu erhalten. Und bald wird die maltesische Flagge gehisst werden, damit das Schiff nach Afrika fahren kann!

Was bedeutet die Einführung der Global Mercy™ für den afrikanischen Kontinent?

Die Zahl der von Mercy Ships operierten Patienten wird sich verdoppeln! Darüber hinaus werden neue Technologien und zusätzlicher Raum für die Ausbildung und Schulung des medizinischen Personals vor Ort unsere nachhaltige Wirkung vervielfachen und neue Kenntnisse hinterlassen, also auch nachdem das Schiff ein Land verlassen hat.

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René Progin
René Progin
René Progin ist Kommunikations- und Medienverantwortlicher von Mercy Ships Schweiz.

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